Stadthaus Petri

Südfassade Hintern Brüdern (rechts)

Südfassade Hintern Brüdern (rechts)

Westansicht Lange Straße/Gördelingerstraße (links)

Westansicht Lange Straße/Gördelingerstraße (links)

  1. Nutzung, Bauzeit:

    • Bürogebäude (Medienhaus) mit Wohnungen, errichtet 2013/14.
  2. Städtebauliche Situation, Nachbargebäude:

    • Solitärbebauung einer Großparzelle zwischen Lange Straße, Gördelingerstraße und Hintern Brüdern, abgesetzter Funktionsflachbau vor Brandgiebel am Nachbargebäude Hintern Brüdern;
    • Nachbargebäude (keine geschlossene Bebauung): Lange Straße 1-6: fünfgeschossiges Kauf- und Bürohaus von um 1970 mit An- und Umbauten um 1980 und 2000, mit Laubengang und Flachdach; Hintern Brüdern: gegliederte Wohn- und Geschäftsbebauung von um 1980 mit Laubengang, straßenseitig geneigte Dächer mit Ziegeldeckung.
  3. Geschossigkeit und Dachform:

    • sechsgeschossige Solitärbebauung mit Flachdach.
  4. Baukörpergestaltung:

    • kompakt gestalteter Baukörper mit abgerundeten Ecken;
    • horizontale Dreiteilung in Sockel-, Normal- und Staffelgeschosse;
    • Erd- und Zwischengeschoss teilweise eingezogen;
    • Knick in der Südfassade analog Straßenverlauf.
  5. Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung:

    • großmaßstäbliche Gliederung und Flachdach entsprechen der baulichen Umgebung an der Langen Straße;
    • problematische Situation mit Maßstabsbruch an der Straße Hintern Brüdern.
  6. Fassadengestaltung:

    • Erd- und Zwischengeschoss im Westteil zusammengefasst, Fassade hier mit Pfosten-Riegel-Konstruktion teilweise hinter Rundstützen;
    • Normalgeschosse mit durchlaufenden Brüstungen und Fensterbändern;
    • Erd- und Zwischengeschoss an der Südostecke geputzt, hier Abfahrt zur Tiefgarage;
    • Zwischengeschoss im östlichen Teil als Normalgeschoss gestaltet, Brüstungen hier an den Übergängen zum Westteil diagonal mit Brüstung 2. OG zusammengeführt;
    • Nordfassade mit integrierten Loggien;
    • zurückspringende Staffelgeschosse mit weit auskragendem Flachdach, teilweise mit Balkon.
  7. Detaillierung:

    • Pfosten-Riegel-Konstruktion von Erd- und Zwischengeschoss mit maßstäblicher Binnenteilung;
    • schlanke Rundstützen;
    • eingezogener Eingangsbereich mit Vordach;
    • Putzfassaden Erd- und Zwischengeschoss (Rückseite) z.T. mit vertikaler Gliederung durch flache Wandstreifen;
    • Fensterbänder mit hochrechteckiger Teilung;
    • Flachdach mit weit auskragender Krempe.
  8. Materialien und Farbgebung:

    • Teilungen der Pfosten-Riegel-Fassaden (grau) und der Fensterbänder aus Metall;
    • dunkelgraue Betonstützen;
    • Brüstungen der Bürostockwerke mit Brüstungen aus sandfarbenen Natursteinplatten;
    • Putzflächen dunkelgrau gestrichen;
    • Rücklagen von Loggien und Staffelgeschossen mit gelbrotem Klinker;
    • Deckenuntersichten glatt verkleidet und weiß gestrichen, an der Tiefgaragenzufahrt sichtbare Faserplatten;
    • Balkonbrüstungen mit Metallstäben und Milchglasscheiben;
    • Flachdachuntersicht mit silberfarbenem Blech verkleidet.
  9. Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung:

    • Materialien und Farbgebung erscheinen in der heterogenen Umgebung als angemessen;
    • Natursteinverkleidungen stellen Beziehung zu umgebenden Baudenkmälern her;
    • dynamische Fassadengestaltung passend für Stadtraum Lange Straße, an der Südfassade wirkt sie undifferenziert.
  10. Abschließende Bewertung: -

    • wichtiger Akzent in einem durch großmaßstäbliche Nachkriegsbauten geprägten Stadtquartier mit Wirkung eines Eingangs zur Innenstadt;
    • Bauvolumen und Fassadengestaltung für Stadtraum und Bebauung an der Südseite unangemessen;
    • Zwischenbereich zur Bebauung Hintern Brüdern erscheint als Baulücke wie ein Provisorium und beeinträchtigt den Stadtraum vor der Brüdernkirche erheblich.
Südfassade Hintern Brüdern (rechts)

Südfassade Hintern Brüdern (rechts)

Westansicht Lange Straße/Gördelingerstraße (links)

Westansicht Lange Straße/Gördelingerstraße (links)

Im Jahr 2012 wurde auf dem markanten Eckgrundstück Lange Straße/Gördelingerstraße und Hintern Brüdern ein Gebäudekomplex beseitigt, welcher als Heimstatt der Öffentlichen Bibliothek Braunschweig diente. Die Bibliotheksbauten bestanden aus einem in den 1920er Jahren errichteten Klinkerbau und einem 1963 hinzugefügten Bauteil in der sachlichen Formensprache der Nachkriegsmoderne. Der Neubau von 1963 war in städtebaulicher Hinsicht als lockere Gebäudekomposition mit umgebenden Grünflächen gestaltet worden.

Mit dem Nachfolgebau, dem Stadthaus Petri, wurde eine deutliche Nachverdichtung des Stadtquartiers zwischen Petri- und Brüdernkirche vollzogen. Gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Kopfbau des Großkinos an der Nordseite der Langen Straße ist eine markante Eingangssituation in die Innenstadt geschaffen werden.

Der sechsgeschossige Neubau zeigt sich als Solitärbaukörper mit betonter Horizontalgliederung. Diese dreiteilige Gliederung setzt sich primär aus einer Erd- und Zwischengeschosszone, zwei Bürostockwerken und zwei zurückgestaffelten Wohngeschossen zusammen. Die zurückliegende Erdgeschosszone ist im westlichen und südwestlichen Bereich des Gebäudes (Gördelingerstraße/Hintern Brüdern) mit dem Zwischengeschoss zusammengezogen und weitgehend verglast (Pfosten-Riegel-Konstruktion). Der Haupteingang in das Haus befindet sich Hintern Brüdern, er wird von einem auskragenden Vordach betont und geschützt. An der Westfassade ist die gläserne Vorhangfassade von Erd- und Zwischengeschoss hinter Betonrundstützen angeordnet. Im östlichen Teil ist das Zwischengeschoss dagegen als normales Bürostockwerk gestaltet. Die Büroetagen zeigen umlaufend durchlaufende Fensterbänder und Brüstungen mit Natursteinverkleidung. Am Übergang zu den verglasten Zwischengeschossen ziehen die Brüstungen der dortigen Bürogeschosse schräg hoch. Sämtliche Gebäudeecken sind abgerundet. Damit erhält das Gebäude eine dynamisch wirkende Gestalt, die an die Architektur der 1920er Jahre und an die Bauten der Nachkriegsmoderne erinnert. An der Südfassade reagieren die unteren und Bürostockwerke mit einem leichten Knick auf den Straßenverlauf. Abgeschlossen wird der Baukörper durch ein weit auskragendes Flachdach. In die Staffelgeschosse (Wohnnutzung) sind auskragende Freibereiche integriert. In den Balkonbrüstungen befinden sich Milchglasscheiben. Die lange Front zur Langen Straße wird von Loggien rhythmisiert, deren Rückwände aus Klinkermauerwerk bestehen. Auch Teile der Wohnstockwerke sind verklinkert. An der hochfrequentierten Ecke zum Radeklint hin ist eine LED-Wand für Nachrichten und regionale Werbung angebracht. Innerhalb des Baukörpers ist ein Hof angelegt.

Abgesetzt vom Gebäude ist am Brandgiebel von Hintern Brüdern 25 ein Flachbau für die Ver- und Entsorgung entstanden. Im Zwischenraum befindet sich die Zufahrt in die Tiefgarage.

Mit dem Bau des Stadthauses hat sich die städtebauliche Situation am Nordosteingang in die Innenstadt entschieden verändert. Ein Abschluss der südlichen Flucht der Langen Straße und die Schaffung einer Torsituation (s.o.) erscheint als schlüssige Lösung. Damit wird der Boulevardcharakter der Langen Straße gestärkt. Insgesamt wird das Bauvorhaben diesem Stadtquartier jedoch nicht in allen Einzelheiten gerecht. Dabei sind schon die Maße des Gebäudes zu erwähnen, sie betragen: ca. 75 Meter Länge, ca. 45 Meter Breite (Westfassade) und ca. 24 Meter Traufhöhe. Damit überschreitet die Traufhöhe das Niveau der meisten Gebäude im Umfeld mindestens um ein ganzes Stockwerk und wirkt besonders an der Südseite als Maßstabsbruch. Sie beeinträchtigt zudem die Wirkung der unmittelbar benachbarten Sakralbauten St. Petri und Brüdernkirche.

Die Konzeption eines Solitärgebäudes kann als städtebauliche Fehlentscheidung angesehen werden. Der Bereich zwischen den Gebäuden mit Tiefgaragenzufahrt und Flachbau stellt sich von Süden her als Baulücke dar und ist in ihrer Wirkung überaus schädlich für das Raumbild des Vorplatzes an der Brüdernkirche. Der durch Abbruch der Bibliothek freigestellte Brandgiebel der Bebauung Hintern Brüdern (Media-Markt) hätte eine Anschlussbebauung benötigt, wie sie bisher bestanden hatte. Nun geht der Blick ungehindert auf die Anlieferungszonen und Technikinstallationen der dortigen Gebäude.

Erscheinen Baukörper und Baugestaltung durchaus angemessen für die weiträumige Lange Straße, fehlt an der Südseite die Reaktion auf die hier völlig anders geartete Situation. Die nicht vorhandene Differenzierung der Fassadengestaltung nimmt keine Rücksicht auf den Stadtraum und die stark heterogene Bebauung im Umfeld von St. Petri und Hintern Brüdern. Das Bauvolumen erschwert außerdem eine in Zukunft zu erwartende, angemessene Bebauung der Rasenfläche östlich der Petrikirche.

Abschließend ist zu betonen, dass die Gelegenheit der Stadtreparatur mit einer differenziert auf die unterschiedlichen Straßen- und Platzräume reagierenden Architektur nicht genutzt wurde. Mit der völlig unsinnig erscheinenden Baulücke Hintern Brüdern entsteht die Wirkung eines dauerhaften Provisoriums.

Altan
Austritt (Balkon) über einem Vorbau, z.B. über einer Veranda
Aus- bzw. Vorkragung
über die Bauflucht vorspringendes Stockwerk bzw. Gebäudeteil
Brüstung
Wandbereich unter einer Fensteröffnung
Fasche
Rahmung einer Fassadenöffnung (Tür, Tor, Fenster) durch Putz- oder Farbstreifen bzw. mit hölzernen Bauteilen
Fensterband
Reihung von Fensteröffnungen, bei Treppenhäusern auch in senkrechter Anordnung möglich
Freigespärre
Vor einer Giebelfassade angeordnetes Dachgespärre zur Stützung eines entsprechenden Dachüberstandes, oft aus dekorativen Gründen errichtet
Fronton
unmittelbar über der Traufe vor der Dachfläche und quer zum First aufgesetzter Dreiecksgiebel
Gaube
hinter die Traufe zurückgesetzter Dachaufbau
Gesims
waagrechter Mauerstreifen oder entsprechendes Profil zur Fassadengliederung, häufig auch an der Traufe (Traufgesims, bei freistehenden Bauten auch Kranzgesims genannt)
Gewände
Einfassung einer Fassadenöffnung (Tür bzw. Fenster)
Kolonnade
offener Gang hinter einer Pfeiler- oder Säulenreihe
Lisene
flacher, senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung
Loggia
hinter einer Fassadenflucht eingezogener Freibereich mit Austritt
Mezzaningeschoss
niedriges Stockwerk, meist unter dem Dachansatz (Traufe) angeordnet
Okulus
kreisrunde Fensteröffnung
Ortgang
Kante einer Dachschräge am Giebel
Paneel
geschlossene Füllung in einer Vorhangfassade
Pilaster
senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung, entsprechend einer Säule mit Basis und Kapitell gesteltet
Pultdach
Dach mit einseitig geneigter Fläche
Risalit
vorspringender Fassadenbereich in gesamter Gebäudehöhe, meist als Mittel- oder Seitenrisalit
Segmentbogen
Bogen über einem Kreisausschnitt (kein voller Rundbogen)
Sohlbank
architektonisch betonter, unterer Abschluss einer Fensteröffnung
Staffelgeschoss
hinter die Traufe zurückspringendes Dachgeschoss, zumeist bei Flachdächern
Sturz
oberer Abschluss einer Wandöffnung (Tür bzw. Fenster)
Traufe
oberer, waagrechter Abschluss einer Fassade, bei geneigten Dächern die untere Dachkante
Vorhangfassade
vom Haupttragwerk eines Gebäudes abgelöste Fassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion, oft großflächig verglast
Werkstein
durch Steinmetz bearbeiteter Naturstein
Zwerchhaus
unmittelbar über der Traufe in Fassadenflucht angeordneter Dachaufbau mit Giebel quer zum First (Zwerchgiebel)