Nutzung, Bauzeit
Städtebauliche Situation, Nachbargebäude
Geschossigkeit und Dachform
Baukörpergestaltung
Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung
Fassadengestaltung
Detaillierung
Materialien und Farbgebung
Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung
Abschließende Bewertung: + +
Mit der Errichtung des neuen Amtsgerichts ist 1991-94 eine der letzten großen, kriegsbedingten Brachflächen in der Braunschweiger Innenstadt bebaut worden. Das Gerichtsgebäude umfasst den gesamten Baublock zwischen Turnierstraße und Eiermarkt. In den Neubau wurden historische Gebäudeteile einbezogen, während man am Eiermarkt ein älteres Gebäude beseitigte.
Hauptgebäude des Gerichts ist eine Rekonstruktion des ehemaligen, klassizistischen Landschaftlichen Hauses An der Martinikirche. Von diesem Gebäude war nach Kriegszerstörung und weitgehendem Abbruch nur ein Teil des Säulenportikus und der Sockel erhalten. Seine Rekonstruktion erfolgte in veränderter Form (Portikus) und vervollständigt den Platz An der Martinikirche wieder als einen der schönsten Platzräume Braunschweigs.
Der Neubau schließt südlich an das Landschaftliche Haus bzw. an die erhaltene Fassade eines ihm benachbarten, historischen Gebäudes am Eiermarkt an. Der dreigeschossige Gebäudekomplex ist durch einen passagenartig gestalteten Erschließungsbereich zentriert. Die „Passage“ greift die Mittelachse des Landschaftlichen Hauses auf und endet im Süden mit einem turmartigen Baukörper. Die geschlossene Blockrandbebauung umschließt zwei Innenhöfe und besitzt geneigte Dächer mit roter Ziegeldeckung. Der Treppenhausturm akzentuiert die Südostecke des Gerichtsgebäudes, sein gläsernes, oberstes Geschoss schließt mit einem flachen Pyramidendach ab. In der Ostfassade befindet sich die Zufahrt in die Tiefgarage.
Die Fassaden sind an den drei Fronten am Eiermarkt und zur Petersilienstraße einheitlich gestaltet. Sie sind horizontal in eine Erdgeschosszone und in zwei voneinander abgesetzte Obergeschosse gegliedert. Eine vertikale Gliederung erfolgt mit Einschnitten, in deren Achsen breite Dachaufbauten mit Dreiecksgiebeln (Frontons) angeordnet sind. Sie zentrieren die langgestreckten Fassaden, beinhalten jedoch keine Eingänge. Erdgeschoss und 2. Obergeschoss springen hinter die Fassadenflucht zurück. Das Erdgeschoss ist mit Natursteinplatten verkleidet und zeigt eine rhythmische Gliederung durch ebenso verkleidete Wandpfeiler. Die Sockel springen hinter den Pfeilern gestuft zurück.
In den Wandrücksprüngen befinden sich Metallsäulen. Solche Säulen gliedern auch das 2. Obergeschoss und nehmen hier den rhythmischen Duktus des Erdgeschosses auf. Sie haben eine ausschließlich gliedernde und dekorative Funktion.
Das 1. Obergeschoss ist weiß verputzt und zeigt bandartige Fensteröffnungen. Die Fenster sind mit Gliederungen und schmale Rahmungen aus Sandsteinplatten versehen. Ebenso schließt dieses Stockwerk mit einem schmalen Werksteingesims ab. Im 2. Obergeschoss befinden sich durchgehende Fensterbänder, die hinter den Metallsäulen liegen. Dachüberstand und zurückliegende Fensterfront erzeugen eine Schattenzone, womit die Traufbereiche deutlich von den Fassaden getrennt sind. Der Dachüberstand ist leicht gestuft und wirkt wie ein kräftiges Kranzgesims. Die Fassade zum Eiermarkt ist flächiger gestaltet und durch vertikale Gliederungen gekennzeichnet. Hier ist ein zusätzliches, mezzaninartiges Stockwerk eingefügt. Das weitgehend geschlossene Sockelgeschoss ist ebenso wie das „Mezzaningeschoss“ mit Natursteinplatten verkleidet.
Mit dem Gerichtsneubau ist neben dem Wiederaufbau des Landschaftlichen Hauses ein sehr wichtiger Teil der Innenstadt taktvoll wieder bebaut worden. Baukörper und Fassadengestaltung sind vage an klassizistische Vorbilder angelehnt, ohne sich anzubiedern. Es handelt sich um die Interpretation einer Architektur, wie sie im Bereich Eiermarkt/Turnierstraße vor der Kriegszerstörung vorhanden war. Materialien und Dachdeckung kommunizieren weitgehend mit den historischen Bauwerken im Umfeld, auch mit den ebenfalls um 1990 entstandenen Gebäuden der Staatsanwaltschaft.
Die sekundären Gliederungen mit Metallsäulen und die bandartigen Fenster lassen das Gebäude deutlich als Produkt seiner Zeit erkennen, wobei die Gliederung leicht überinstrumentiert erscheint. Der Treppenhausturm wirkt an der Ecke Eiermarkt/Petersilienstraße als Element, das seine Nutzung stark überhöht.
Insgesamt rundet das Amtsgerichtsgebäude einen zentralen und historisch hochbedeutenden Teil des ehemaligen Weichbildes Altstadt wohltuend ab.