Nutzung, Bauzeit
Städtebauliche Situation, Nachbargebäude
Geschossigkeit und Dachform
Baukörpergestaltung
Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung
Fassadengestaltung
Detaillierung
Materialien und Farbgebung
Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung
Abschließende Bewertung: + + +
Im Jahr 1999 wurde eine Baulücke in der städtebaulich wichtigen Ecksituation Sack/Schild geschlossen. Die Baulücke ging auf die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges zurück und war bis zur Neubebauung lediglich mit niedrigen Ausstellungspavillons besetzt. An der Südseite der Eckparzelle befindet sich ein Geschäftshaus mit reich gegliederter und verzierter Fassade des Historismus (Sack 16). Die östlichen Nachbarhäuser am Schild sind 1986 errichtete Neubauten, die mit ihrer Gestaltung (Erker, geneigte Dächer) als postmodern bezeichnet werden können.
Der insgesamt fünfgeschossige Neubau Sack 15 gliedert sich als Baukörper in zwei Bestandteile, die mit ihren Traufhöhen Bezug zur Nachbarbebauung aufnehmen. Der größere, breit gelagerte Gebäudeteil am Sack zeigt eine konvex verlaufende Fassadenflucht, die zur Ecksituation hin in einer entschieden in den Straßenraum vorstoßenden Rundung ausläuft. Das Erdgeschoss ist zurückgesetzt, so dass die schlanken Rundstützen hier vor der Fassade stehen. Im Eckbereich ist die Erdgeschossfront eingezogen und markiert eine Eingangssituation.
Die drei Obergeschosse des geschwungenen Gebäudeteils am Sack sind in den Deckenebenen horizontal gegliedert und sonst vollständig verglast. Hier befinden sich die Rundstützen hinter der Fassade, sind jedoch von außen sichtbar. An der gerundeten Gebäudeecke wird die horizontale Gliederung durch in dichtem Abstand vorgesetzte Holzlamellen noch verstärkt. Die Lamellen, zugleich Sonnenschutz für den vorspringenden Gebäudeteil, steigern die Wirkung der markanten Ecksituation.
Einen Ausgleich zur vorherrschenden Horizontalausrichtung bildet die Binnengliederung der wandhohen Verglasungen der Stockwerke. Die Pfosten und Rahmen der Glasfronten bilden einen Rhythmus, der auf die Stützen Bezug nimmt. Die schwenkbaren Fensterelemente sind mit Holzrahmen ausgestattet. Sie korrespondieren im Material mit den Holzlamellen und geben der Fassade wichtige Akzente. Über den drei Obergeschossen, dessen Traufe an diejenige des Nachbargebäudes Sack 16 anschließt, befindet sich ein Staffelgeschoss. Dieses ist zurückgesetzt und wird in der Fußgängerperspektive nur durch das weit auskragende Flachdach wirksam. Der rechteckige Grundriss des Staffelgeschosses steht in spannendem Kontrast zur geschwungenen Front der Hauptstockwerke.
An der Straßenecke schwingt die Ausrundung auf einen massiv ausgebildeten, mit Natursteinplatten verkleideten Gebäudeteil zurück. Dieses Bauteil birgt ein Treppenhaus und einen Fahrstuhl und bildet das Scharnier zwischen den beiden Fassadenabschnitten des Geschäftshauses. Der Gebäudebereich am Schild zeigt ebenfalls ein zurückgesetztes Erdgeschoss. Seine Bauflucht ist gerade und schließt mit zwei Hauptgeschossen an das östliche Nachbarhaus an. Die Fassade des 3. Obergeschosses ist hier als Staffelgeschoss mit auskragendem Flachdach auf die Flucht des zurückliegenden, massiven Treppenhauses bezogen. Gliederung und Detailausbildung des Fassadenbereichs am Schild entsprechen derjenigen des Gebäudeteils Sack.
Das Geschäftshaus Sack 15 stellt einen der gelungensten Neubauten in der Braunschweiger Innenstadt dar. Es handelt sich um eine moderne Architektur, die mit Geschick in einen differenzierten Kontext eingefügt ist. Trotz der Größe des Gebäudes ist es so gegliedert und gestaltet, dass die Maßstäbe von der Großform bis in das Detail vermitteln. Die geschwungene Bauflucht am Sack und die gerundete Ecke mit ihren dynamisch wirkenden Lamellen geben dem Haus eine Eleganz, die nicht übertrieben wirkt. Sie erinnert an die großartigen Warenhausentwürfe des Architekten Erich Mendelsohn aus den 1920er Jahren. Die deutliche Gliederung in Erdgeschoss, Stockwerke und Dachzone greift ein grundlegendes Motiv innerstädtischer Bebauung auf. Die runden Betonstützen lassen das konstruktive Gefüge erkennen, das durch den massiven Treppenhauskern ausgesteift wird.
Mit der Steinplattenverkleidung des Treppenhauses ist eine Verbindung zu den historischen Massivbauten der Stadt hergestellt. In den großflächigen, aber gut gegliederten Fassadenverglasungen nehmen die hölzernen Fensterflügel eine Sonderstellung ein. Sie interpretieren mit hochrechteckigen Formaten die Proportionen der Öffnungen benachbarter Gebäude. Die hölzernen Fensterflügel und Lamellen bilden einen wohltuenden Akzent in der von kühlen Materialien bestimmten Architektur. Die nebensächlich erscheinende Detailausbildung wie des Stockwerkgesimses über dem Erdgeschoss, das an klassische Architrave erinnert, zeigt die sorgfältige Gestaltung des Bauwerks. Angenehm wirkt auch die maßvoll erscheinende Be- leuchtung des Gebäudeinneren, die in den dunklen Tageszeiten nach außen wirkt.
Mit Sack 15 ist in Braunschweig ein Geschäftshaus entstanden, das trotz kompromisslos moderner Architektur in einem immer noch historisch geprägten Stadtbild überzeugt. Es wirkt an einem heterogen erscheinenden Bereich wie der viel frequentierten Einmündung Sack/Schild als wohltuender Blickfang.