Nutzung, Bauzeit:
Städtebauliche Situation, Nachbargebäude:
Geschossigkeit und Dachform:
Baukörpergestaltung:
Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung:
Fassadengestaltung:
Detaillierung:
Materialien und Farbgebung:
Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung:
Abschließende Bewertung: + + +
Mit der Kemenate hinter der Jakob-Kapelle ist ein mittelalterlicher Wohnbau aus der Zeit um 1250 erhalten geblieben. Der Bruchsteinbau führte mit seiner abgeschiedenen Lage über Jahrzehnte ein unscheinbares Dasein. Das Baudenkmal stellt den Restbestand eines bedeutenden Patrizieranwesens dar (urspr. Jakobstraße 3), das im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und in den 1960er Jahren bis auf die Kemenate beseitigt wurde. Mit dem Abbruch der wertvollen Gebäudereste ging die (sehr unerfreuliche) Überbauung der Jakobstraße einher. Sie gehörte zu den ältesten Straßen des alten Braunschweig und verknüpfte Eiermarkt und Kohlmarkt.
Kemenaten waren die steinernen Gebäudeteile mittelalterlicher Hausanlagen und befanden sich zumeist im rückwärtigen Bereich der Wohnhäuser. Die Vorderhäuser bestanden in der Regel aus Fachwerk, waren bisweilen jedoch ebenfalls als Massivbauten ausgebildet. So zeigte auch die Jakob-Kemenate von Beginn an ein steinernes Vorderhaus, wie alte Fotografien und die Abbruchkante an der Nordwestecke des historischen Bauwerks beweisen. Der Gebäudetyp Kemenate diente zum Wohnen und zur Einlagerung hochwertiger Güter. Der im Obergeschoss gelegene Wohnraum der Jakob-Kemenate war mit einem Kamin ausgestattet: Die Bezeichnung „Kemenate“ leitet sich von „Kamin“ her. In den Jahren 2005/06 konnte die Kemenate von einer privaten Stiftung nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten hochwertig saniert werden. Das gesamte Bauvorhaben umfasste neben der Sanierung einen Anbau an Stelle des ursprünglichen Vorderhauses. Dieser gliedert sich in ein offen gestaltetes Foyer und einen eher geschlossen ausgebildeten Bereich an der ehemaligen Jakobstraße. Letzterer beinhaltet im Ober- und Dachgeschoss eine Stipendiatenwohnung. In das neue Vordergebäude ist in seiner Rück- und Giebelseite eine erdgeschossige Bruchsteinmauer integriert.
Foyer und Kemenate werden für Kunstausstellungen, Tagungen sowie private Feiern genutzt und sind sind täglich für die Öffentlichkeit zugänglich.
Der Anbau nimmt die Gebäudekubatur der Kemenate auf. Er variiert sie mit dem flach gedeckten Foyerbereich und dem straßenseitigen Bauteil, der mit einem Satteldach abschließt. Das Satteldach zeigt den gleichen Umriss wie das über der Kemenate ebenfalls völlig neu errichtete Dach. Aufgrund der abknickenden östlichen Grundstücksgrenze ist der Straßengiebel des Vordergebäudes jedoch asymmetrisch. Ein verbindendes Element des Gesamtensembles sind die Fassadenverkleidungen und Dachdeckungen mit Cortenstahl. Cortenstahl wird bereits mit angerosteten, witterungsresistenten Oberflächen produziert und mit seiner Patina aus gestalterischen Gründen bewusst in der Architektur verwendet. Am Vorderhaus gehen die Fassaden ohne Zäsur in geneigte Dachflächen über. Hier sind die flach in die Fassaden eingebundenen, ungeteilten Fensteröffnungen nach funktionalen Gesichtspunkten positioniert und ergeben eine freie Komposition. Der eingezogene Foyerbereich ist über beide Geschosse mit einer Pfosten-Riegel-Konstruktion verglast und schließt mit einem bis zur Fassadenflucht von Kemenate und vorderem Bauteil auskregenden Flachdach ab. Vor der Fassade stehen seitlich zwei wieder mit Cortenstahl verkleidete Pfeiler, die als künstlerisch gestaltete Elemente ausgeführt sind („Dialog“). Mit der Sanierung und Erweiterung der Kemenate konnte auch der Hof gestaltet werden, der als Freisitz und zur Aufstellung von Plastiken genutzt wird. Die Kemenate selbst erhielt neben dem neuen Dachaufbau Metallfenster und am Südgiebel eine vorgesetzte Verglasung zum Schutz eines Originalfensters aus dem 13. Jahrhundert.
Die Jakob-Kemenate ist inzwischen zu einer Braunschweiger Institution geworden. Ebenso ist sie eine Bereicherung der hiesigen Architekturlandschaft. Mit der Sanierung der Kemenate wurde ein bedeutendes Baudenkmal wiedergewonnen und der Öffentlichkeit sowohl bewusst als auch zugänglich gemacht. Der Anbau zeigt sich als vorzügliches Beispiel für die Ergänzung bzw. das Weiterbauen eines historischen Hauses. Die auf den ersten Blick möglicherweise befremdliche Fassaden- und Dachgestaltung mit Cortenstahl fügt sich gut in den Zusammenhang mit dem haptischen Bruchsteinmauerwerk der Kemenate. Zu Recht ist die Jakob-Kemenate auch in weiten Kreisen der Fachwelt wahrgenommen und gewürdigt worden.