Kemenate an der Hagenbrücke

Südostansicht an der Hagenbrücke

Südostansicht an der Hagenbrücke

  1. Nutzung, Bauzeit:

    • Kemenate aus dem 13. Jh., Sanierung und Erweiterungsbau 2014, Nutzung für Ausstellungszwecke.
  2. Städtebauliche Situation, Nachbargebäude:

    • freistehende Bebauung mit ummauertem Vorhof unmittelbar an der Fahrbahn;
    • im Norden und Nordwesten viergeschossige Bebauung aus den 1950er und 1960er Jahren in winkelförmiger Situation.
  3. Geschossigkeit und Dachform:

    • zweigeschossige Anlage;
    • die Kemenate mit Satteldach, Erweiterungsbauten mit Flachdächern in leichter Neigung.
  4. Baukörpergestaltung:

    • Kemenate über quadratischem Grundriss und Steilgiebeln;
    • Anbau durch gestreckten Kubus über der nördlichen Hofmauer geprägt.
  5. Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung:

    • Gesamtensemble der Kemenate Hagenbrücke bildet einen bewussten Kontrast gegeneinander und zur baulichen Umgebung der Wiederaufbauzeit nach 1945.
  6. Fassadengestaltung:

    • Kemenate mit historischen Fassaden saniert;
    • Eingangsbereich und Erdgeschoss vor der nördlichen Grundstücksmauer hofseitig mit durchgehenden Glasfronten, außenseitig von bestehender Hofmauer eingefasst;
    • riegelartiges Obergeschoss des Erweiterungsbaus mit geschlossenen Langseiten, an den Schmalseiten wandhohe Fensteröffnungen (am Ostende quadratisches Panoramafenster).
  7. Detaillierung:

    • Glasfassaden mit großen ungeteilten Glasflächen (weitabständige Pfosten);
    • Flachdach über dem Eingangsbereich mit breiten Dachkanten und flacher Neigung;
    • umseitig auskragendes Obergeschoss des Anbaus mit geschlossenen Wand- und Dachflächen als Kubus gestaltet;
    • ungeteilte Glasflächen der Schmalseiten im Obergeschoss mit betonten Rahmungen;
    • Lichtfugen zwischen Obergeschoss und Hofmauer bzw. an den Anschlüssen zur Kemenate.
  8. Materialien und Farbgebung:

    • Kemenate aus Bruchsteinmauerwerk mit Schlämmverputz in hell-rötlicher Farbgebung;
    • Hofmauer aus unverputztem Bruchsteinmauerwerk;
    • Glasfassaden mit minimalistischer, anthrazitfarbener Pfosten-Riegel-Konstruktion;
    • Kemenatenfenster mit Metallrahmen;
    • Flachdach des Eingangsbereichs und Obergeschoss des Anbaus mit Cortenstahlfassaden.
  9. Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung:

    • Material- und Formensprache des Anbaus stehen in einem starken Spannungsverhältnis zum Altbau Kemenate;
    • haptische Wirkung der Cortenstahloberflächen korrespondieren mit Putz- und Natursteinoberflächen von Kemenate und Hofmauer.
  10. Abschließende Bewertung: -

    • gelungene Restaurierung eines hochwertigen Baudenkmals nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten;
    • stark kontrastierende Kombination des Baudenkmals mit einer zeitgenössischen Ergänzung;
    • dominante Wirkung des Kubus mit Cortenstahlverkleidung erscheint nicht angemessen.
Südostansicht an der Hagenbrücke

Südostansicht an der Hagenbrücke

Die Kemenate an der Hagenbrücke ist das in der Stadt bekannteste Baudenkmal dieser Art. Sie befand sich vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges hinter dem Fachwerkhaus Hagenbrücke 4 in einer geschlossenen Hofsituation. Als eine der wenigen Kemenaten Braunschweigs wurde das Gebäude 1948-50 wiederhergestellt und in den vergangenen Jahrzehnten zu Wohnzwecken und schließlich als Ausstellungsgebäude genutzt. Zuletzt diente es als Künstleratelier. Mit dem Übergang des Gebäudes in das Eigentum einer Stiftung im Jahr 2012 wurde ein neues Kapitel in seiner Geschichte aufgeschlagen. Das Bauwerk wird nun in gleichem Sinne wie die Jakob-Kemenate für kulturelle Zwecke genutzt und ist der Öffentlichkeit zugänglich. Zu diesem Zweck wurde das mittelalterliche Steinwerk aus dem 13. Jahrhundert im Jahr 2014 saniert und baulich erweitert. Dies gestaltete sich hier ungleich schwieriger als bei der 2006 fertiggestellten Jakob-Kemenate. Da der Standort des ursprünglichen Vorderhauses von den nördlichen Fahrspuren der nach 1945 stark aufgeweiteten Hagenbrücke eingenommen wird, verblieb nur die Möglichkeit eines nordostseitigen Anbaus. Daher musste der Vorhof mit seiner umlaufenden Bruchsteinmauer teilweise überbaut werden. Im Ostteil des Vorhofes besteht eine eingeschossige Überdachung, die den Eingangsbereich beinhaltet. Sie ist zum Hof hin vollständig verglast. An und über der nördlichen Hofmauer ist der eigentliche Erweiterungsbau angesetzt, welcher den Nordgiebel der Kemenate umfasst. Auch hier ist das Erdgeschoss mit einer Glasfassade zum Hof geöffnet. Im Kontrast dazu zeigt sich das Obergeschoss, das als geschlossener Baukörper über Hof und Mauer liegt. Der riegelartige, skulptural erscheinende Kubus des Obergeschosses ist mit Glasfugen sowohl von der Mauerkrone als auch von der Kemenate abgesetzt und wird von Innenstützen getragen. Er kragt ost- und nordseitig über die Bruchsteinmauer aus, seine flache Bedachung steigt nach Westen zur Kemenate hin leicht an. Die geschlossene Hülle ist lediglich an den Schmalseiten geöffnet, wobei nach Osten hin, mit Blick auf St. Katharinen, ein großes quadratisches Panoramafenster angelegt ist. Der Anbau birgt nun auch die Zugänge in die Kemenate, wobei derjenige im Erdgeschoss einen Wanddurchbruch erforderte. Die baulichen Ergänzungen zeigen eine Materialität, die an das Ensemble der Jakob-Kemenate anknüpft. Die geschlossenen Wandflächen und Dächer, vor allem der leicht keilförmige Riegel des Obergeschosses, sind mit Cortenstahl verkleidet. Dabei sind die Eingangsüberdachung und das Obergeschoss gestalterisch zusammengebunden, ostseitige Dachkante und rahmenartige Einfassung des Panoramafensters bilden eine gemeinsame Figur. Cortenstahl wird bereits mit angerosteten, witterungsresistenten Oberflächen produziert und mit seiner Patina aus gestalterischen Gründen bewusst in der Architektur verwendet. Der Hof zeigt eine an japanischen Gärten orientierte, minimalistische Freiraumgestaltung und wird so als Freiluftausstellung für Plastiken mitgenutzt.

Der Erweiterungsbau der Kemenate erscheint für die meisten Betrachter gewöhnungsbedürftig. Befindet sich der Cortenstahlanbau der Jakob-Kemenate abseits der frequentierten Verkehrswege, fällt er neben der Kemenate Hagenbrücke unmittelbar ins Auge. Zudem verdeckt er das historische Gebäude in der Ansicht vom Fußgängerweg an der Nordseite der Hagenbrücke weitgehend. Das Material und die scheinbar schwer über dem Ensemble lastende, quaderartige Figur des geschlossenen oberen Stockwerks regen zum Widerspruch an.

Insgesamt ist die Erschließung des Baudenkmals für die Öffentlichkeit und die damit verbundene Erweiterung als positiv zu bewerten. Bislang war das Bauwerk mit seinen minimalen Grundrissflächen nur eingeschränkt nutzbar. Sanierung und bauliche Ergänzung ermöglichen nunmehr eine dauerhafte öffentliche Nutzung. Die Erweiterungsbauten fassen den kleinen Hof ein und schaffen eine eigene Welt mit erstaunlicher Aufenthaltsqualität auf kleinstem Raum. Material- und Formensprache verbinden die Kemenate Hagenbrücke mit der von den gleichen Bauherren und Architekten sanierten und erweiterten Jakob-Kemenate.

Die Architektur der Ergänzung erscheint jedoch zu dominant. Die kompakte, schwer lastende Bauform des Riegels wird dem von der Kemenate vorgegebenen Maßstab nicht gerecht. Eine filigrane Fassadengestaltung auch des schwebenden Obergeschosses – eine moderne Interpretation des hier einst vorherrschenden Fachwerkbaus - hätte hier zu einer glücklicheren Lösung führen können.

Altan
Austritt (Balkon) über einem Vorbau, z.B. über einer Veranda
Aus- bzw. Vorkragung
über die Bauflucht vorspringendes Stockwerk bzw. Gebäudeteil
Brüstung
Wandbereich unter einer Fensteröffnung
Fasche
Rahmung einer Fassadenöffnung (Tür, Tor, Fenster) durch Putz- oder Farbstreifen bzw. mit hölzernen Bauteilen
Fensterband
Reihung von Fensteröffnungen, bei Treppenhäusern auch in senkrechter Anordnung möglich
Freigespärre
Vor einer Giebelfassade angeordnetes Dachgespärre zur Stützung eines entsprechenden Dachüberstandes, oft aus dekorativen Gründen errichtet
Fronton
unmittelbar über der Traufe vor der Dachfläche und quer zum First aufgesetzter Dreiecksgiebel
Gaube
hinter die Traufe zurückgesetzter Dachaufbau
Gesims
waagrechter Mauerstreifen oder entsprechendes Profil zur Fassadengliederung, häufig auch an der Traufe (Traufgesims, bei freistehenden Bauten auch Kranzgesims genannt)
Gewände
Einfassung einer Fassadenöffnung (Tür bzw. Fenster)
Kolonnade
offener Gang hinter einer Pfeiler- oder Säulenreihe
Lisene
flacher, senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung
Loggia
hinter einer Fassadenflucht eingezogener Freibereich mit Austritt
Mezzaningeschoss
niedriges Stockwerk, meist unter dem Dachansatz (Traufe) angeordnet
Okulus
kreisrunde Fensteröffnung
Ortgang
Kante einer Dachschräge am Giebel
Paneel
geschlossene Füllung in einer Vorhangfassade
Pilaster
senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung, entsprechend einer Säule mit Basis und Kapitell gesteltet
Pultdach
Dach mit einseitig geneigter Fläche
Risalit
vorspringender Fassadenbereich in gesamter Gebäudehöhe, meist als Mittel- oder Seitenrisalit
Segmentbogen
Bogen über einem Kreisausschnitt (kein voller Rundbogen)
Sohlbank
architektonisch betonter, unterer Abschluss einer Fensteröffnung
Staffelgeschoss
hinter die Traufe zurückspringendes Dachgeschoss, zumeist bei Flachdächern
Sturz
oberer Abschluss einer Wandöffnung (Tür bzw. Fenster)
Traufe
oberer, waagrechter Abschluss einer Fassade, bei geneigten Dächern die untere Dachkante
Vorhangfassade
vom Haupttragwerk eines Gebäudes abgelöste Fassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion, oft großflächig verglast
Werkstein
durch Steinmetz bearbeiteter Naturstein
Zwerchhaus
unmittelbar über der Traufe in Fassadenflucht angeordneter Dachaufbau mit Giebel quer zum First (Zwerchgiebel)