Nutzung, Bauzeit:
Städtebauliche Situation, Nachbargebäude:
Geschossigkeit und Dachform:
Baukörpergestaltung:
Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung:
Fassadengestaltung:
Detaillierung:
Materialien und Farbgebung:
Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung:
Abschließende Bewertung: -
Im Jahr 2012 wurde auf dem markanten Eckgrundstück Lange Straße/Gördelingerstraße und Hintern Brüdern ein Gebäudekomplex beseitigt, welcher als Heimstatt der Öffentlichen Bibliothek Braunschweig diente. Die Bibliotheksbauten bestanden aus einem in den 1920er Jahren errichteten Klinkerbau und einem 1963 hinzugefügten Bauteil in der sachlichen Formensprache der Nachkriegsmoderne. Der Neubau von 1963 war in städtebaulicher Hinsicht als lockere Gebäudekomposition mit umgebenden Grünflächen gestaltet worden.
Mit dem Nachfolgebau, dem Stadthaus Petri, wurde eine deutliche Nachverdichtung des Stadtquartiers zwischen Petri- und Brüdernkirche vollzogen. Gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Kopfbau des Großkinos an der Nordseite der Langen Straße ist eine markante Eingangssituation in die Innenstadt geschaffen werden.
Der sechsgeschossige Neubau zeigt sich als Solitärbaukörper mit betonter Horizontalgliederung. Diese dreiteilige Gliederung setzt sich primär aus einer Erd- und Zwischengeschosszone, zwei Bürostockwerken und zwei zurückgestaffelten Wohngeschossen zusammen. Die zurückliegende Erdgeschosszone ist im westlichen und südwestlichen Bereich des Gebäudes (Gördelingerstraße/Hintern Brüdern) mit dem Zwischengeschoss zusammengezogen und weitgehend verglast (Pfosten-Riegel-Konstruktion). Der Haupteingang in das Haus befindet sich Hintern Brüdern, er wird von einem auskragenden Vordach betont und geschützt. An der Westfassade ist die gläserne Vorhangfassade von Erd- und Zwischengeschoss hinter Betonrundstützen angeordnet. Im östlichen Teil ist das Zwischengeschoss dagegen als normales Bürostockwerk gestaltet. Die Büroetagen zeigen umlaufend durchlaufende Fensterbänder und Brüstungen mit Natursteinverkleidung. Am Übergang zu den verglasten Zwischengeschossen ziehen die Brüstungen der dortigen Bürogeschosse schräg hoch. Sämtliche Gebäudeecken sind abgerundet. Damit erhält das Gebäude eine dynamisch wirkende Gestalt, die an die Architektur der 1920er Jahre und an die Bauten der Nachkriegsmoderne erinnert. An der Südfassade reagieren die unteren und Bürostockwerke mit einem leichten Knick auf den Straßenverlauf. Abgeschlossen wird der Baukörper durch ein weit auskragendes Flachdach. In die Staffelgeschosse (Wohnnutzung) sind auskragende Freibereiche integriert. In den Balkonbrüstungen befinden sich Milchglasscheiben. Die lange Front zur Langen Straße wird von Loggien rhythmisiert, deren Rückwände aus Klinkermauerwerk bestehen. Auch Teile der Wohnstockwerke sind verklinkert. An der hochfrequentierten Ecke zum Radeklint hin ist eine LED-Wand für Nachrichten und regionale Werbung angebracht. Innerhalb des Baukörpers ist ein Hof angelegt.
Abgesetzt vom Gebäude ist am Brandgiebel von Hintern Brüdern 25 ein Flachbau für die Ver- und Entsorgung entstanden. Im Zwischenraum befindet sich die Zufahrt in die Tiefgarage.
Mit dem Bau des Stadthauses hat sich die städtebauliche Situation am Nordosteingang in die Innenstadt entschieden verändert. Ein Abschluss der südlichen Flucht der Langen Straße und die Schaffung einer Torsituation (s.o.) erscheint als schlüssige Lösung. Damit wird der Boulevardcharakter der Langen Straße gestärkt. Insgesamt wird das Bauvorhaben diesem Stadtquartier jedoch nicht in allen Einzelheiten gerecht. Dabei sind schon die Maße des Gebäudes zu erwähnen, sie betragen: ca. 75 Meter Länge, ca. 45 Meter Breite (Westfassade) und ca. 24 Meter Traufhöhe. Damit überschreitet die Traufhöhe das Niveau der meisten Gebäude im Umfeld mindestens um ein ganzes Stockwerk und wirkt besonders an der Südseite als Maßstabsbruch. Sie beeinträchtigt zudem die Wirkung der unmittelbar benachbarten Sakralbauten St. Petri und Brüdernkirche.
Die Konzeption eines Solitärgebäudes kann als städtebauliche Fehlentscheidung angesehen werden. Der Bereich zwischen den Gebäuden mit Tiefgaragenzufahrt und Flachbau stellt sich von Süden her als Baulücke dar und ist in ihrer Wirkung überaus schädlich für das Raumbild des Vorplatzes an der Brüdernkirche. Der durch Abbruch der Bibliothek freigestellte Brandgiebel der Bebauung Hintern Brüdern (Media-Markt) hätte eine Anschlussbebauung benötigt, wie sie bisher bestanden hatte. Nun geht der Blick ungehindert auf die Anlieferungszonen und Technikinstallationen der dortigen Gebäude.
Erscheinen Baukörper und Baugestaltung durchaus angemessen für die weiträumige Lange Straße, fehlt an der Südseite die Reaktion auf die hier völlig anders geartete Situation. Die nicht vorhandene Differenzierung der Fassadengestaltung nimmt keine Rücksicht auf den Stadtraum und die stark heterogene Bebauung im Umfeld von St. Petri und Hintern Brüdern. Das Bauvolumen erschwert außerdem eine in Zukunft zu erwartende, angemessene Bebauung der Rasenfläche östlich der Petrikirche.
Abschließend ist zu betonen, dass die Gelegenheit der Stadtreparatur mit einer differenziert auf die unterschiedlichen Straßen- und Platzräume reagierenden Architektur nicht genutzt wurde. Mit der völlig unsinnig erscheinenden Baulücke Hintern Brüdern entsteht die Wirkung eines dauerhaften Provisoriums.