Wohn- und Geschäftshaus Wendenstraße 59

Ansicht

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  1. Nutzung, Bauzeit:

    • Wohn- und Geschäftshaus, errichtet 2018/19.
  2. Städtebauliche Situation, Nachbargebäude:

    • Bebauung in Ecklage Wendenstraße/Bockstwete;
    • südlich anschließend Gebäude aus dem Jahr 1912 in späthistoristischer Gestaltung (urspr. Kino Gloria-Palast).
  3. Geschossigkeit und Dachform:

    • fünfgeschossiger Baukörper mit nordseitig stark eingezogenem doppelten Staffelgeschoss;
    • Flachdächer.
  4. Baukörpergestaltung:

    • kubischer Hauptbaukörper mit erkerartig zusammengezogenen Wintergärten in Ecklage;
    • ebenso kubisch gestaltetes Staffelgeschoss.
  5. Bezug von Baukörper und Dachform zur Umgebung:

    • Baukörper schafft wirkungsvolle Ecksituation;
    • Staffelgeschoss variiert Gestaltung des historischen Nachbargebäudes mit abgesetztem obersten Stockwerk;
    • Proportionen Hauptbaukörper zu Staffelgeschoss wirken leicht unstimmig.
  6. Fassadengestaltung:

    • asymmetrische Front zur Wendenstraße mit eingezogener Eingangssituation am Südende und Ladenzone mit Schaufenster in Ecklage;
    • über dem Ladenbereich zusammengefasst vorspringende Wintergärten mit Übereckverglasung;
    • querrechteckige Fensteröffnungen im rechten Fassadenteil in vertikaler Achse;
    • Seitenfront Bockstwete mit Seiteneingängen und hochrechteckigen Fenstern;
    • Staffelgeschoss mit übereck angelegtem Panoramafenster.
  7. Detaillierung:

    • glatt verputzte Fassaden;
    • Verglasungen der Ladenzone und Wintergärten sowie Panoramafenster mit schlanken Profilen;
    • Dachterrasse mit filigranen Stabgeländern und Wendeltreppe aus Stahl.
  8. Materialien und Farbgebung:

    • weiß gestrichene Putzfassaden;
    • Verglasungen mit Pfosten-Riegel-Konstruktionen sowie Fensterrahmen in Anthrazitfarbe;
    • Geländer aus Metall;
    • Kragträger aus Stahlprofilen an Traufe der Staffelgeschosse.
  9. Bezug der Materialien und Fassadengestaltung zur Umgebung:

    • eigenständige Baugestaltung bildet Kontrast zum historistischen Nachbargebäude und vermittelt zur vorherrschenden Nachkriegsbebauung im städtebaulichen Umfeld.
  10. Abschließende Bewertung: +

    • insgesamt positiv zu bewertende Schließung einer Baulücke in städtebaulich markanter Situation;
    • Formensprache in Anlehnung an die Klassische Moderne weitgehend überzeugend.
Ansicht

Ansicht

In den Jahren 2018/19 wurde die städtebaulich relevante Ecksituation an der Wendenstraße zur Bockstwete mit einem Neubau geschlossen. Das schmale Eckgrundstück befindet sich in der Nähe des Hagenmarktes und schließt an das einstige Gloria-Kino aus dem Jahr 1912 an - ein bedeutendes Zeugnis der Architektur aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Gegenüber weitet sich der Südteil der Wendenstraße zum Werder auf, dessen als Parkplatz für PKW genutzte Fläche Ergebnis des Wiederaufbaus nach 1945 ist.

Der Neubau stellt sich als fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit einem darüber deutlich eingezogenen hohen Staffelgeschoss dar. Hervorstechendes Merkmal des als Kubus gestalteten Gebäudes sind neben dem Staffelgeschoss die erkerartig auskragenden Wintergärten an der Hausecke. Der über sämtliche Wohngeschosse reichende Erker ist durch eine strenge Horizontalgliederung mit Brüstungen und jeweils übereck reichende Fensterbänder gekennzeichnet. Der obere Abschluss des Erkers springt als Sturz umseitig leicht vor und bildet somit eine Verkröpfung der Traufzone.

Im Erdgeschoss ist unter den Wintergärten eine entsprechend breite Ladenzone mit bodentiefer Verglasung eingefügt. Der rechte Fassadenbereich ist asymmetrisch gestaltet und zeigt eine tief eingezogene Eingangssituation, darüber befinden sich seitlich versetzt vier querrechteckige Fenster. Die tiefere Front zur Bockstwete besitzt zwei Nebeneingänge und zwei Achsen mit hochrechteckigen Fensteröffnungen, von denen die Fenster in der hinteren Achse versetzt angeordnet sind. An der Rückseite (Ostfassade) sind die Wohnstockwerke über dem blockartigen Erd- und 1. Obergeschoss eingezogen und mit Balkonen besetzt. Das Flachdach kragt hofseitig weit aus.

Das hohe Staffelgeschoss birgt zwei Stockwerke und ist übereck mit einem fassadenbündig eingefügtem Panoramafenster ausgestattet. Am hinteren Teil seiner Seitenfassade befinden sich entsprechend der Geschossteulung zwei querrechteckige Schlitzfenster. An der Rückseite der Staffelgeschosse tritt eine Außenwendeltreppe in Erscheinung. Knapp unter der Traufe der als Kubus gestalteten Staffelgeschosse sind auskragende Stahlprofile angebracht, die auf ein ursprünglich wohl vorgesehenes Sonnenschutzdach hinweisen. Der Rücksprung der Staffelgeschosse ermöglicht an der Nordseite eine Dachterrasse. Dementsprechend ist über der Traufzone ein Stabgeländer aus Metall angebracht. Das Verhältnis zwischen Hauptbaukörper und Staffelgeschoss wirkt leicht unstimmig.

Am gesamten Baukörper sind die geschlossenen Fassadenflächen verputzt und weiß gestrichen. Sämtliche Fenster und Verglasungen zeigen anthrazitfarbene und verhältnismäßig schlank gestaltete Metallprofile.

Die Eckbebauung bildet eine Baulückenschließung an markanter Stelle. Seine eigenständige und durchaus im Kontrast zur späthistoristischen Nachbarbebauung stehende Architektur kann als positiver Beitrag zur aktuellen Baukultur angesehen werden. Sie zeigt eine differenzierte Baukörpergestaltung mit sorgfältig ausgebildeten Details, auch wenn die Proportionen des Hauptbaukörper zum Staffelgeschoss leicht unstimmig wirken. Das Gebäude ist in völlig legitimer Weise mit Zitaten aus Formensprache der Klassischen Moderne entworfen und fügt diese in den innerstädtischen Kontext ein. Als Merkwürdigkeit fallen allerdings die auskragenden Stahlprofile ohne das fehlende Sonnenschutzdach ins Auge.

Altan
Austritt (Balkon) über einem Vorbau, z.B. über einer Veranda
Aus- bzw. Vorkragung
über die Bauflucht vorspringendes Stockwerk bzw. Gebäudeteil
Brüstung
Wandbereich unter einer Fensteröffnung
Fasche
Rahmung einer Fassadenöffnung (Tür, Tor, Fenster) durch Putz- oder Farbstreifen bzw. mit hölzernen Bauteilen
Fensterband
Reihung von Fensteröffnungen, bei Treppenhäusern auch in senkrechter Anordnung möglich
Freigespärre
Vor einer Giebelfassade angeordnetes Dachgespärre zur Stützung eines entsprechenden Dachüberstandes, oft aus dekorativen Gründen errichtet
Fronton
unmittelbar über der Traufe vor der Dachfläche und quer zum First aufgesetzter Dreiecksgiebel
Gaube
hinter die Traufe zurückgesetzter Dachaufbau
Gesims
waagrechter Mauerstreifen oder entsprechendes Profil zur Fassadengliederung, häufig auch an der Traufe (Traufgesims, bei freistehenden Bauten auch Kranzgesims genannt)
Gewände
Einfassung einer Fassadenöffnung (Tür bzw. Fenster)
Kolonnade
offener Gang hinter einer Pfeiler- oder Säulenreihe
Lisene
flacher, senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung
Loggia
hinter einer Fassadenflucht eingezogener Freibereich mit Austritt
Mezzaningeschoss
niedriges Stockwerk, meist unter dem Dachansatz (Traufe) angeordnet
Okulus
kreisrunde Fensteröffnung
Ortgang
Kante einer Dachschräge am Giebel
Paneel
geschlossene Füllung in einer Vorhangfassade
Pilaster
senkrechter Mauerstreifen zur Fassadengliederung, entsprechend einer Säule mit Basis und Kapitell gesteltet
Pultdach
Dach mit einseitig geneigter Fläche
Risalit
vorspringender Fassadenbereich in gesamter Gebäudehöhe, meist als Mittel- oder Seitenrisalit
Segmentbogen
Bogen über einem Kreisausschnitt (kein voller Rundbogen)
Sohlbank
architektonisch betonter, unterer Abschluss einer Fensteröffnung
Staffelgeschoss
hinter die Traufe zurückspringendes Dachgeschoss, zumeist bei Flachdächern
Sturz
oberer Abschluss einer Wandöffnung (Tür bzw. Fenster)
Traufe
oberer, waagrechter Abschluss einer Fassade, bei geneigten Dächern die untere Dachkante
Vorhangfassade
vom Haupttragwerk eines Gebäudes abgelöste Fassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion, oft großflächig verglast
Werkstein
durch Steinmetz bearbeiteter Naturstein
Zwerchhaus
unmittelbar über der Traufe in Fassadenflucht angeordneter Dachaufbau mit Giebel quer zum First (Zwerchgiebel)